Torkelpresse

Der Wein und Bodman

Die Weinrebe gehört zu den ältesten Pflanzen der Welt. Nach der letzten Eiszeit vor ca. 10.000 Jahren hat die wilde Rebe Vitis vinifera in Europa die Auenwälder klimatisch begünstigter Flußtäler besiedelt. Bereits im Jahre 6000 v. Chr. wurden in Persien und Mesopotamien die ersten Trauben gepresst, um daraus Wein herzustellen. Die Perser haben den Wein per Zufall entdeckt, der Traubensaft wurde in Schläuchen aus Ziegen- oder Kamelleder aufbewahrt und dieser begann unter der Sonnenhitze zu gären. Als Ergebnis kam ein geschmackvoller Saft mit alkoholhaltiger Wirkung heraus, der von den Leuten schnell bevorzugt wurde. 

Nach Deutschland kam der Wein mit den Römern, vor etwa 2000 Jahren. Sie brachten die Rebstöcke aus ihrer Heimat nach Germanien, um den Wein in schweren Amphoren den weiten Weg nicht zu transportieren. Die Weine die aus diesen Rebstöcken ausgebaut wurden, waren viel frischer und vielfältiger im Geschmack als ihre Vorgänger aus der Heimat.

Im 8. Jahrhundert war Karl der Große ein bedeutender Förderer des Weinbaus. Er regelte den Anbau der Reben, die Weinbereitung und den Verkauf des Weins. Besonders die Klöster pflegten den Weinbau. Zu dieser Zeit war Wein das Volksgetränk Nr. 1.

Kaiser Karl der Dicke (839-888) regierte u.a. von Bodman aus das weite Reich seines Urgroßvaters, Karls des Großen, und führte angeblich bereits im Jahr 884 die Blaue Spätburgunderrebe aus Burgund für den von ihm angelegten und bis heute bebauten ‚Königsweingarten‘ ein. Bis Anfang des 19.Jh. wurde der Weinbau in Bodman in bedeutender Weise weitergeführt. Die beeindruckende Torkelpresse wurde noch bis Anfang des 20.Jh. zum Pressen der Trauben aus dem ‚Königsweingarten’ genutzt. Heute werden im Königsweingarten Souvignier gris (Weißwein) und blauer Spätburgunder (Rotwein und Weißherbst) von Johannes Freiherr von und zu Bodman in Bioqualität angebaut und in Meersburg gekeltert.

Von alters her waren die Weintrauben und das Obst ausgepresst worden indem die Maische mit den Füßen gestampft wurde. Daher das Wort ‚keltern‘ (von lateinisch ‚calcare‘, zu deutsch ‚mit den Füßen treten‘). Wann genau die Übernahme der mechanischen und höchst ergiebigen Pressmethode, wie sie das Keltern mit dem Torkel darstellt, geschah ist unklar. Doch bereits in frühen mittelalterlichen Handschriften sieht man Zeichnungen von Baumpressen, wie es sie dann in Folge fast unverändert bis ins 20. Jahrhundert hinein gab.

Nördlich der Alpen wurden die Baumkeltern vermutlich direkt von den Römern übernommen.

Viele Bauteile und auch die Torkelpresse selbst (von lat. torquere, ‚drehen’, ‚pressen’) tragen lateinische Bezeichnungen. Bereits im 14. Jahrhundert sind Baumkeltern auch in schriftlichen Quellen erwähnt. 

Im Bodenseeraum gibt es nur noch 15 von dereinst mehreren Hundert Stück dieser mammuthaft, wuchtigen Exemplare.

Um das Jahr 1600 besaß Überlingen allein 110 Torkel, Markdorf 60, Konstanz 55, Hagnau 26, Meersburg 18, Nonnenhorn 12 und es gab noch viele andere.

Der Bodman’sche Torkel

Sicherlich standen fast alle diese Baumkeltern anfänglich im Freien. So auch die mächtige Bodman’sche Torkelpresse. Das exakte Baujahr der großen Graf von Bodmanschen Weinpresse selbst ist nirgends vermerkt. Es könnte wohl bis ins 17. Jh. zurückreichen.

Über dreihundert Jahre also wurde mit dieser Presse aus Trauben Most und schließlich Wein gewonnen. 

1772 wurde das einmalig schöne Gebäude der gräflichen Schloßtorkel zu Bodman nach dem Niederbrennen eines einfacheren Gebäudes wiedererrichtet. Die bauzeitliche Struktur dieses stattlichen Fachwerkbaus, mit dem markanten liegenden Dachstuhl über zwei Geschosse, ist nahezu unverändert.

Das Gebäude kann als wichtiger Identitätsträger und bauliches Monument eine Brücke zur Geschichte des bis heute von Obst- und Weinbau geprägten Dorfes Bodman bilden. Der Torkel ist ein einmaliges Bauzeugnis, welches bezüglich Vollständigkeit und Erhaltungszustand in Süddeutschland einzigartig sein dürfte.

Torkel in Bodman Nordseite zum See hin (1772)
Torkel in Bodman, Westseite, Gaupe mit Wappen von 1772
Torkel in Bodman, Westseite mit Gaupe aus den 50er Jahren

Seit vielen Jahrhunderten also, beheimatet dieses große Kelterhaus:

  • die Weinpresse,
  • eine alte Zentralholzspindelpresse und auch
  • eine mit einem großen Antriebsrad konstruierte sogenannte Kistenpresse für Obstsaftung.

Als weitere Schaustücke verbleiben die voluminösen Weinfässer und Abfüllbottiche aus verschiedenen Zeitaltern.

Zentralholzspindelpresse für die Saftpressung im Torkel in Bodman
Kistenpresse mit Antriebsrad für die Obstsaftpressung im Torkel in Bodman
Bis zu vier Mann konnten an den Sprossen der Kistenpresse das Obst pressen

Torkelmeister und Kelterknechte

Die Arbeit als Torkelmeister und Torkelknecht konnte nur mit hohem moralischem Pflichtbewusstsein ausgeübt werden, dazu mussten die Männer einen Eid (Eid der Torkelleute BAB A2671) ablegen:

Endtlich sollen sie in dem Törggel getreu, aufrecht und redlich auch also handeln wie sie es vor Gott und der Welt wohl zu verantworten getrauen, undt einem ehrliebenden Bidermann wohl anständig ist.

Nur nüchterne Knechte durften eingestellt werden. Niemand durfte sich ohne Grund in der Nähe des Torkels oder des Weines aufhalten. Alte Schriften bezeugen, dass diejenigen die nicht im Torkel zu tun hatten, sich aber dennoch vor allem an Sonn- und Feiertagen, während des Gottesdienstes sowie nachts in der Nähe befanden mit Gewalt fortgejagt wurden.

Torkelmeister mussten unparteilich sein, für Schäden an Gebäude und Presse aufkommen, versprechen die Geräte zu pflegen, die Torkel sauber zu halten, gut auf den herrschaftlichen Wein aufzupassen und die Trauben gänzlich auszupressen.

Die treue Abgabe des Zehnten nach Maß und Qualität an den Grundherren erfolgte in geeichten Fässern die direkt in die herrschaftlichen Keller gebracht wurden. Lohnwein durfte nur im Beisein des Kunden abgezapft und abgemessen werden.

Natürlich gibt es auch im Bodmanschen Schloßtorkel das Torkelstübchen eine Art Heiligtum, in dem der Keltermeister selbst die Befehle zum Betrieb der Presse gab und auch erste Verkostungen des Rebensaftes vornahm.

Die Kelterarbeiter, die der nassen und zugigen Luft in der Kelterhalle ausgesetzt waren, durften sich erst in neuerer Zeit im warmen Stübchen aufwärmen, dort auch Tabak rauchen und etwas Rebensaft genießen.

Der Torkelbau

Große Meister und Könner waren die Torkelerbauer und in verschiedenen Schriften liest man sogar von Torkelbauzünften.

Allein die Auswahl der Torkelbäume bedurfte fachlicher Entscheidung: war der Stamm gesund, gerade gewachsen, trocken gewachsen (sichtbar durch enge Jahresringe), war er lang und im Umfang ausreichend (mind. 1,5 Meter Durchmesser zum Zeitpunkt der Fällung) und ganz wichtig war der Stamm gegabelt? Nur perfekte, Jahrhundert alte Bäume, genügten diesen Ansprüchen. Sie waren wohl mindestens 120 Jahre alt. 

In Schriften des Urgroßvaters des heutigen Grafen Bodman ist eine Notiz zu finden, die vom großen Unglück einer für die Erneuerung der Torkelpresse zu fällenden Eiche berichtet. Ein idealer Eichenbaum mit gegabeltem Stamm war über ein Jahrhundert lang im Wald des Bodanrück ausfindig gemacht und im Wachstum geduldig beobachtet worden. Bei der Fällung geschah es jedoch, dass die Gabel des Baumriesen beim Aufprall in zwei Teile zerfiel. Ein großer Rückschlag zu jener Zeit.

1823 wurde die Eichenpresse renoviert unter Wiederverwendung ihrer älteren Teile und neu mit dem mächtigen Torkelbaum ausgestattet. 

Als eine der größten erhaltenen Baumkeltern kann die etwa 20.000 kg schwere Presse einen Druck erzeugen der auch modernen Hoch- oder Unterdruckweinpressen kaum nachstehen würde.

Das Torkelbett fast etwa 20 Zuber Trauben (= 5000 kg Trauben) dies entspricht ca. 3750 Liter Presssaft (= Most) pro Pressvorgang.

Die Traubenpressung

Die Zeit der Traubenpressung erstreckte sich alljährlich nur auf vier bis sechs Wochen, d.h. die übrige Zeit war das Holz der Austrocknung und Einschrumpfung ausgesetzt. Somit musste einige Wochen vor der Wiederverwendung vor allem der Presstisch durch wässern dichtgemacht, bzw. verquollen werden.

Die Torkelbäume wurden auf ihre Spannkraft geprüft und eventuell abgenutzte und morschgewordene Holzteile erneuert. Besonders wichtig war die Überprüfung der Gewindegänge der Spindel. Vor Beginn der ersten Pressung mußten diese Gewindeteile mit einem Gemisch aus Fett und Talg leicht gangbar gemacht werden. Eine gründliche Reinigung war oberstes Gebot. 

Der Traubenwagen im Torkel in Bodman

Zur Bedienung des Torkels öffnete man zunächst den Kelterbaum.

Durch das Drehen der Spindel wurde der Baum angehoben, der schwere Stein senkte sich zu Boden und das Torkelbett wurde frei.

Dann schütteten die Kelterknechte viele Zuber mit Trauben auf den Presstisch und bedeckten ihn mit Balken, um den Druck gleichmäßig zu verteilen.

Der freie Raum zwischen dem abgedeckten Torkelbett und dem Torkelbaum wurde nun mit Hölzern aufgefüllt. Die Hinterdocke oberhalb des Baumes wurden eingeschoben.

Die entscheidenden Teile für den Pressvorgang des Torkels
Schragen, Spindel und Joch im alten Torkel in Bodman
Das Holz wird auf den Trauben aufgestapelt um den Druck zu verteilen im Torkel in Markdorf

Ohne Druck, nur durch die Bretterbeschwerung begann nun der Saft auszufließen.

Dieser Vorlaß ergab den besten Wein. War er abgelaufen, dann begann der nächste Arbeitsschritt für die Männer. Auf das Kommando „Zieht den Esel!“ begann der aktive Pressvorgang.

Pressvorgang nach dem Komando - zieht den Esel - im Torkel in Bodman
Während des Pressvorganges im Torkel in Bodman
Während des Pressvorganges im Torkel in Markdorf

Die Kelterknechte liefen dann im Kreis, und unter dem ächzenden Seufzen der Presse drehten sie langsam mit Hilfe der Spindel das Gewinde nach oben.

Die Spindel wird hochgeschraubt bis die Steine den Druck zur Pressung der Trauben ausüben im Torkel 1952

Die Balken pressten nach dem Prinzip des Hebelgesetzes auf die Trauben und der Rebensaft begann, gefiltert durch ein Weidensieb (Kernfang) in einen großen Holzbottich (Stande) zu laufen.

Durch immer weiteres Hochdrehen der Spindel und wurde der mit großen Steinen beschwerte Schragen frei angehoben und verstärkte mit seinem Gewicht den Pressdruck des langen Hebelarmes.

Der Stein hing nun frei in der Luft und drückte die schweren Stämme des Kelterbaumes nach unten.

Hervorquellende Maische wurde mit dem spatenförmigen Torkelmesser abgestochen. War der Saft gepresst, musste der Baum erneut geöffnet werden.

Mit Hilfe einer Axt zerteilte man den Trester und schichtete ihn neu auf, damit der Pressvorgang wiederholt und so die Saftausbeute erhöht werden konnte. Drei- bis viermal wurde das Pressgut aufgelockert (unterfasst).

Der gesamte Pressvorgang dauerte etwa acht Stunden. Erst wenn der Trester weitgehend trocken war, endete das Pressen.

Das Obst wird zermahlen

Wo sind sie geblieben?

Was geschah mit all den Hunderten von Torkeln aus vergangener Zeit? Wohin verschwanden diese Riesen?

Ein großer Teil des hochwertigen Eichenholzes wurde zu Möbeln oder Schnitzkunst verarbeitet. Einige Torkelpressen, z.B. aus dem Besitz des Markgrafen von Baden in Salem wurden zu Bänken in Kirchen, in diesem Fall der Wallfahrtskirche zu Birnau verwandelt.

Gar mancher Torkel fiel jedoch auch dem Feuer zum Opfer.

Adresse & Kontakt

Bernhard Hauff-Stiftung gGmbH
Urwelt-Museum Bodman
Am Torkel 4
D-78351 Bodman-Ludwigshafen

Telefon: +49 (0) 7773 / 959 98 30
E-Mail: hauff@urweltmuseum-bodman.de

Öffnungszeiten - Geschlossen bis Mitte Mai 2025

April bis Oktober
Donnerstag bis Sonntag
10:00 - 18:00 Uhr

Förderverein

Alle Informationen über den Verein sowie Mitgliedsanträge finden sie hier:

www.urweltmuseum-foerderverein.de